FB 6 Mathematik/Informatik/Physik

Arbeitsgruppe der Physikdidaktik


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Lehren und Lernen im kooperativen Unterricht

GDCP-Zwischentagung in Osnabrück

Vom 6. bis 7. März 2008 fand in Osnabrück eine Zwischentagung der Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik (GDCP) zum Thema "Lehren und Lernen im kooperativen Unterricht" statt. Eingeladen hatten dazu Prof. Rita Wodzinski und Prof. Roland Berger. Kooperatives Lehren und Lernen ist seit langer Zeit Gegenstand der Forschung insbesondere in der pädagogischen Psychologie. R. E. Slavin, einer der Pioniere auf diesem Gebiet, schreibt dazu: “Cooperative learning is one of the greatest success stories in the history of educational research.” Der Forschungsbereich ist jedoch nach wie vor höchst aktuell. Dazu haben sicher auch die großen internationalen Vergleichsstudien beigetragen, die eine methodische Flexibilisierung des Schulunterrichts als geboten erscheinen lassen. Fachdidaktik und pädagogische Psychologie können sich dabei gegenseitig befruchten.

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Programm

Donnerstag, 6. März 2008

13.30

Begrüßung

13.45

Prof. Dr. G. L. Huber,
Tübingen

Zur Integration kooperativen Lernens in den naturwissenschaftlichen Unterricht

15.00

Prof. Dr. S. Schanze, Hannover

Unterstützende Maßnahmen zum kollaborativen forschenden Lernen in den Naturwissenschaften

16.15

Dr. M. Walpuski, Essen

Empirische Untersuchung der Wirksamkeit unterstützender Maßnahmen bei der Kleingruppenarbeit

18.00

Gemeinsames Abendessen im „Ratskeller“

 

Freitag, 7. März 2008

9.00

Prof. Dr. R. Wodzinski, Kassel

Förderung der Kommunikation durch Aufgaben mit gestuften Lernhilfen

10.15

Prof. Dr. I. Eilks, Bremen

Konzipierung und Untersuchung von Unterrichtseinheiten zum kooperativen Lernen durch Partizipative Aktionsforschung in der Chemiedidaktik – ein Beispiel zur Elektrochemie

11.30

Dr. T. Witteck, Bremen

Experimentieren ist mehr als ein Kochrezept zu erfüllen! Erfahrungen mit kooperativem Lernen und offenem Experimentieren in Lernfirmen für den Chemieunterricht

12.45

Mittagessen in der Mensa

13.45

Prof. Dr. R. Berger, Osnabrück

Das Gruppenpuzzle im Physikunterricht der Sekundarstufe II – Einfluss der Gruppenzusammensetzung auf Motivation und Leistung

 

Kurzfassungen

Prof. Dr. Günter L. Huber: Zur Integration kooperativen Lernens in den naturwissenschaftlichen Unterricht

Besonders im naturwissenschaftlichen Unterricht kommt es darauf an, unterschiedliche Organisationsformen des Lehrens und Lernens so miteinander zu verzahnen, dass ihre spezifischen Vorzüge sich unter der Perspektive der angestrebten Lehr-/Lernziele optimal ergänzen. Am Beispiel des problembasierten Lehren und Lernens soll diskutiert werden, wie Lehreraktivitäten, individuelle Schüleraktivitäten und kooperative Aktivitäten zielführend kombiniert werden können. Unter Bezug auf das "Sandwich"-Prinzip von Wahl et al. werden die Integrationsmöglichkeiten auf Ziele der Wissensaneignung und der Festigung/Übung von Kenntnissen/Fertigkeiten übertragen.

Bei der Umsetzung solcher Kombinationsmöglichkeiten ergeben sich aber gerade für Lehrkräfte des naturwissenschaftlichen Unterrichts wegen ihrer relativ geringen Wochenstundenzahl in den einzelnen Klassen Probleme, wenn sie als Voraussetzung erfolgreichen kooperativen Lernens für ihre Schüler spezifische Trainingsmaßnahmen vorschalten und immer wieder Reflexionsphasen ermöglichen sollen. Kooperation auf der Ebene der Lehrkräfte könnte nach vorliegenden Erfahrungen und unter Anpassung von Modellen wie dem "Selbstorganisierten Lernen (Herold & Landherr) oder dem "Team-Kleingruppen-Modell" (Ratzki) günstigere Voraussetzungen für die Implementation kooperativen Lehrens und Lernens schaffen.


Prof. Dr. Sascha Schanze: Unterstützende Maßnahmen zum kollaborativen forschenden Lernen in den Naturwissenschaften

Unter dem kollaborativen Lernen wird im englischen Sprachraum eine besondere Form der Zusammenarbeit verstanden, die auf eine gemeinschaftlich regulierte und verhandelte Wissenskonstruktion fokussiert. Sie grenzt sich damit vom kooperativen Lernen ab, das überwiegend arbeitsteilige Lernphasen vorsieht. Im deutschen Sprachraum wird unter Kooperation das gesamte Spektrum von der arbeitsteiligen bis hin zur gemeinschaftlichen Zusammenarbeit verstanden.
Das forschende Lernen ist eine Methode des selbstgesteuerten Lernens, die im besonderen Maße Kompetenzen für den naturwissenschaftlichen Unterricht fördert. Es stellt aber auch hohe Ansprüche sowohl an die Lernenden als auch an den Lehrenden und erfordert daher unterstützende Maßnahmen.
In diesem Beitrag sollen die besonderen Potenziale der kollaborativen Arbeit beim forschenden Lernen für den naturwissenschaftlichen Unterricht beschrieben und Möglichkeiten der Unterstützung des Lernprozesses vorgestellt werden. Der Beitrag wird mit Beispielen aus der Erfahrung in den EU-Projekten Co-Lab und ReCoil sowie mit einem Ansatz aus dem aktuellen EU-Projekt CoReflect illustriert.


Dr. Maik Walpuski, Isabel Wahser, Prof. Dr. Elke Sumfleth: Empirische Untersuchung der Wirksamkeit unterstützender Maßnahmen bei der Kleingruppenarbeit

RUMANN (2005) konnte zeigen, dass Schülerinnen und Schüler, die in Kleingruppenarbeit offene, experimentelle Chemieaufgaben bearbeiten, geringfügig erfolgreicher sind als Schülerinnen und Schüler, die die gleichen Aufgaben im lehrerzentrierten Unterricht bearbeiten. Gleichzeitig konnte durch Videoanalysen gezeigt werden, dass der Frontalunterricht durch den Lehrer weitgehend zielführend strukturiert wird, während die Kleingruppenarbeitsphasen suboptimal verlaufen. Die Ergebnisse waren Anlass zu einer weiteren Studie, die die empirische Untersuchung der Wirksamkeit unterstützender Maßnahmen zum Ziel hatte. WALPUSKI (2006) konnte nachweisen, dass Fehlerkorrektur durch Feedback im Sinne einer responsiven Lehrerintervention nach HAAG und HOPPERDIETZEL (2000) einen signifikanten Vorteil für den Lernerfolg bietet, während eine formale Strukturierung der Lösungsschritte weitgehend wirkungslos bleibt. Die Wirkungslosigkeit der strukturierenden Maßnahmen ist dabei vor allem dadurch begründet, dass die Schülerinnen und Schüler die dargebotenen Hilfen nicht selbstständig umsetzen können. Ein von WAHSER aktuell entwickeltes Training zeigt jedoch, dass hier eine weitere Optimierung der selbstständigen kooperativen Arbeit möglich ist. In diesem Vortrag werden die einzelnen Studien in Bezug auf Methodik und Ergebnisse detailliert vorgestellt und Implikationen für die Schulpraxis abgeleitet.

  • Haag, L. & Hopperdietzel, H. (2000): Gruppenunterricht - Aber wie? Eine Studie über Transfereffekte und ihre Vorraussetzungen. Die Deutsche Schule, 92, 480-490.
  • Rumann, S. (2005): Kooperatives Arbeiten im Chemieunterricht. Entwicklung und Evaluation einer Interventionsstudie zur Säure-Base-Thematik. Berlin: Logos-Verlag.
  • Walpuski, M. (2006): Optimierung von experimenteller Kleingruppenarbeit durch Strukturierungshilfen und Feedback. Berlin: Logos Verlag.

Prof. Dr. Rita Wodzinski: Förderung der Kommunikation durch Aufgaben mit gestuften Lernhilfen

„Aufgaben mit gestuften Lernhilfen“ repräsentieren ein Aufgabenformat, das im Zuge des SINUS-Programms im naturwissenschaftlichen Unterricht zunehmend Verbreitung gefunden hat. Bei diesem Aufgabentyp werden Schülerinnen und Schüler mit relativ komplexen Aufgabenstellungen konfrontiert, wobei die Aufgabenlösung durch schriftlich formulierte Hilfen unterstützt wird, auf die die Schülerinnen und Schüler eigenständig zugreifen können. Im Rahmen eines DFG-Projektes haben wir die Wirkung derartiger Aufgaben auf das Lernen im Physik- und Chemieunterricht in Partnerarbeit untersucht. Insbesondere haben wir untersucht, ob Aufgaben mit gestuften Hilfen dazu beitragen können, die sachbezogene Kommunikation zu fördern und inwieweit sich dies auf die Lernleistung auswirkt.

  • Franke-Braun, G., & Wodzinski, R. (2008): Aufgaben mit gestuften Lernhilfen – Schülerkommunikation und Lernerfolg. In: Dietmar Höttecke (Hrsg.): Kompetenzen, Kompetenzmodelle, Kompetenzentwicklung, 278-280
  • Schmidt-Weigand, F., Franke-Braun, G. & Hänze, M. (2008). Gestufte Lernhilfen unterstützen das selbstständige Bearbeiten komplexer Aufgaben. Manuskript eingereicht zur Publikation bei Unterrichtswissenschaft.

Prof. Dr. Ingo Eilks: Konzipierung und Untersuchung von Unterrichtseinheiten zum kooperativen Lernen durch Partizipative Aktionsforschung in der Chemiedidaktik – ein Beispiel zur ElektrochemieDer Vortrag beschreibt die Entwicklung von Unterrichtseinheiten für kooperatives Lernen durch Partizipative Aktionsforschung. Es wird an einem Beispiel zur Elektrochemie diskutiert, wie eine zyklische Entwicklung von Unterrichtseinheiten in Kooperation von Fachdidaktik und Unterrichtspraxis aussehen kann und welchen Einfluss professionalisierte Lehrkräfte auf eine solche Entwicklung nehmen können. Die Fallstudie deutet an, wie groß der Einfluss der Variablen „Lehrer“ und „Qualität der Unterrichtsmaterialien“ für den Erfolg kooperativen Lernens sein kann.


Dr. Torsten Witteck: Experimentieren ist mehr als ein Kochrezept zu erfüllen!
Erfahrungen mit kooperativem Lernen und offenem Experimentieren in Lernfirmen für den Chemieunterricht

Auch noch in den letzten Jahren haben verschiedene empirische Studien gezeigt, dass im Chemie- und Physikunterricht immer noch zu wenig experimentiert wird. Die wenigen Experimente haben darüber hinaus noch entweder den Charakter von Vorführungen oder abzuarbeitenden Kochrezepten. In beiden Fällen verläuft die Auseinandersetzung mit dem Experiment aus Sicht der Lernenden fremdbestimmt und passiv. Diese Praxis experimentellen Chemie- und Physikunterrichts ist in letzten 20 Jahren wiederholt als defizitär beschrieben worden. Forschungsbasierte Forderungen nach Veränderung mahnen an, die Planung und Auswertung des eigentlichen Experiments mehr in die Aktivität der Lernenden zu verlagern und ihnen bei der Bearbeitung ihrer experimentellen Fragestellungen zunehmend mehr Offenheit zuzugestehen. Hierfür können Formen des kooperativen Lernens eine Lösung anbieten.
Im Vortrag wird der Ansatz der Lernfirma für den Chemieunterricht ausgehend von theoretischen Grundannahmen des kooperativen Lernens und empirischer Befunde über die Praxis des Experimentierens im Chemieunterricht vorgestellt und legitimiert. Dieser Ansatz setzt gleichermaßen kooperatives Lernen und eigenaktives, offenes Experimentieren unter Einbezug einer multimedialen Lernumgebung um. Beispiele für eine solche Umsetzung werden vorgestellt. Berichtet werden darüber hinaus Praxiserfahrungen und Schülerrückmeldungen aus der Entwicklung und Erprobung verschiedener Beispiele für Lernfirmen im Chemieunterricht aus einem Projekt Partizipativer Aktionsforschung.

  • Torsten Witteck, Ingo Eilks: Die Max Sauer GmbH – Eine Lernfirma zu Säuren und Basen. Naturwissenschaften im Unterricht Chemie 4-5/16(2005), Nr. 88/89, 51-56
  • Torsten Witteck, Bettina Most, Stephan Kienast, Ingo Eilks: Eine Lernfirma – Kooperatives Lernen und offenes Experimentieren zum Thema Stofftrennverfahren im Chemieanfangsunterricht. Der Mathematische und Naturwissenschaftliche Unterricht 3/59(2006), 153-159
  • Torsten Witteck, Ingo Eilks: Die Max Sauer GmbH - Materialien für eine Lernfirma zu Säuren und Basen in der Sekundarstufe I . RAABits Chemie Sekundarstufe I, 13. Ergänzungslieferung, Stuttgart 2006: Raabe, I/E 9, S. 1-26
  • Torsten Witteck, Ingo Eilks: Max Sour Ltd. – Open experimentation and problem solving in a cooperative learning company. School Science Review 88/323 (2006), 95-102
  • Torsten Witteck, Bettina Most, Stephan Kienast, Ingo Eilks: A lesson plan on separating matter based on the learning company approach – A motivating frame for self-regulated and open lab-work in introductory chemistry lessons. Chemical Education Research and Practice 2/7 (2007), 108-119

Prof. Dr. Roland Berger: Das Gruppenpuzzle im Physikunterricht der Sekundarstufe II – Einfluss der Gruppenzusammensetzung auf Motivation und Leistung

Die Meta-Analyse von Lou et al. (1996) zeigt, dass leistungshomogene Gruppen im kooperativen Unterricht etwas besser als leistungsheterogene Gruppen abschneiden. Auffällig ist jedoch, dass die Ergebnisse über die zugrunde liegenden Studien stark variieren. In Bezug auf Mathematik und Naturwissenschaften spielt es demnach keine Rolle, ob die Gruppen homogen oder heterogen zusammengesetzt waren. Dieser Effekt wird jedoch durch die individuelle Leistungsfähigkeit moderiert: Schwache Schülerinnen und Schüler lernen in heterogenen Gruppen besser, für starke Lerner spielt es jedoch keine Rolle, in welcher Art von Gruppe sie arbeiten.

Diese Ergebnisse können vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass sowohl das Selbsterklären als auch Erklärungen zu bekommen für das Lernen förderlich sein kann. Schwache Lerner sind insbesondere auf Informationen und Unterstützung durch Leistungsfähigere angewiesen. In homogen schwachen Gruppen findet sich dann niemand, der dazu in der Lage wäre. In Bezug auf das Gruppenpuzzle könnten aber auch motivationale Aspekte eine wichtige Rolle spielen: Möglicherweise erfahren sich schwächere Lerner dann kompetenter, wenn sie in Gruppen mit Schülerinnen und Schülern vergleichbarer Leistungsfähigkeit zusammenarbeiten. Dies könnte auch Einfluss auf das Lernergebnis haben. Im Vortrag wird über Ergebnisse einer entsprechenden Teilstudie des DFG-Projekts GriPS II berichtet.

  • Lou, Y.; Abrami, P. P.; Spence, J. C.; Poulsen, C.; Chambers, B. & d’Apollonia, S. (1996): Within-class grouping: A meta-analysis. Review of Educational Research 66 (4), 423-458.

Die GDCP-Zwischentagung wurde freundlicherweise von der Universitätsgesellschaft Osnabrück unterstützt.
Informationen über die Universitätsgesellschaft gibt es hier >>>